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CURE #5: Immer weniger niedergelassene Mediziner:innen und immer höhere Arbeitsbelastung

Die aktuellen Entwicklungen sorgen bei Vertretern der Kassenärzt:innen für zunehmende Verärgerung. Im Gespräch mit Stephan Ahlf erläutert Karl Roth, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen, was von Seiten der Politik endlich angepackt werden muss und wie man Ärzt:innen wieder dazu bewegt, selbstständig zu werden.

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SA: Die Ärzte werden knapp, und nicht nur auf dem Land. Zahlreiche Praxen finden einfach keine Nachfolger mehr. Die hessische Provinz fahren Sie seit fünf Jahren mit dem Medibus, einer fahrbaren, mobilen Arztpraxis ab, um den Menschen auf dem Land vernünftige medizinische Angebote zu machen. Viele angehende Mediziner zieht es in die sog. Medizinischen Versorgungszentren, die mit Festanstellungen und geregelten Arbeitszeiten locken. Selbstständigkeit ist bei Ärzten scheinbar out. Was muss passieren, damit sich wieder mehr Medizinstudenten dafür entscheiden, in der Praxis zu arbeiten?

KR: Das ist natürlich ein wahnsinnig komplexes Thema. Ich könnte kurz antworten und sagen: Die Rahmenbedingungen müssen sich verändern. Und wahrscheinlich ist es das auch. Wir beobachten als KV derzeit einen Trend weg von der Niederlassung. Wir habe so viele freie Arztsitze wie nie in Hessen und dieser Trend wird sich noch einige Jahre fortsetzen. Das ist wirklich alarmierend und zeigt, dass die Politik hier dringend eingreifen und umsteuern muss. Die Niedergelassenen haben das Gefühl, dass es immer nur um die Kliniken geht, dabei findet das Gros der Versorgung täglich in den Praxen statt.

„Vieles wird von den Kliniken gedacht, dabei wird der Großteil der Versorgung von den niedergelassenen Ärzte geleistet.“ 

Karl Roth, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen

SA: Ärzten und Psychotherapeuten soll es künftig erlaubt sein, auch Videosprechstunden außerhalb ihrer Praxis abzuhalten. Die Kassenärztliche Bundesvereinigung will dafür das sogenannte Fernbehandlungsverbot lockern. Ist dies eine Art Notwehrmaßnahme gegen eine drohende Unterversorgung oder soll dies auch dazu führen, den Arztberuf wieder attraktiver zu machen?

KR: Ich glaube, dass Videosprechstunden eine willkommene Ergänzung sein können – mehr aber nicht. Attraktivität würden bessere Honorierung, weniger Bürokratie, geringere Arbeitsbelastung und eine Steuerung der Patienten erhöhen. Doch an diesen Stellen tut die Politik nichts, im Gegenteil, es wird sogar noch schlimmer.

SA: Was halten Sie davon, dass mit dem neuen Digitalgesetz den Versicherten in allen Apotheken assistierte Telemedizin zur Verfügung stehen soll?

KR: Das ist natürlich ebenfalls sehr kritisch zu sehen, denn Apotheker und Ärzte sind zwei völlig unterschiedliche Professionen. Was der eine nicht kann, kann der andere – und umgekehrt. Hier wird – bewusst oder unbewusst – suggeriert, es reiche ja, ein bisschen Ahnung zu haben. Das ist wirklich problematisch und sicherlich auch kein Anlass, der die Entscheidung „pro Arztsein“ attraktiver macht.

„Wir leisten uns ein überdurchschnittlich teures Gesundheitssystem mit unterdurchschnittlicher Leistung.“ 

Karl Roth, Pressesprecher der Kassenärztlichen Vereinigung Hessen

SA: Wie wird sich denn die ambulante Versorgung in den nächsten Jahren entwickeln?

KR: Es wird schwieriger in den nächsten Jahren. Das zeigen unsere Zahlen deutlich, denn die Boomer steigen nun langsam aus der Versorgung aus. Wir müssen uns also auf weitere Wege, längere Wartezeiten und größere Versorgungslücken einstellen.

SA: Stichwort „Neuordnung der Notfallversorgung“: Obwohl es laut Robert Koch-Institut keine Einrichtung schafft, mehr Notfälle zu versorgen als niedergelassene Kassenärzte in ihren Praxen, sollen sie künftig regelmäßig von dort abgezogen würden, um in nahegelegenen Kliniken bei der Versorgung von Notfallpatienten zu unterstützen. Durch temporäre Praxisschließungen drohen zusätzliche Versorgungsengpässe. Wie gedenken Sie, in der Politik, aber auch in der breiten Öffentlichkeit auf diesen Missstand aufmerksam zu machen?

KR: Ich sprach eben schon das Thema an, dass vieles im deutschen Gesundheitswesen von den Kliniken hergedacht und reformiert wird. Das ist schlecht, denn mittlerweile wissen die Experten, dass Deutschland gerade in den Kliniken ein massives Qualitätsproblem hat. Wir leisten uns eine viel zu teure und von der Qualität alles andere als überdurchschnittliche Versorgung. Beim Thema Notfallreform ist es nicht anders. Alles wird von den Kliniken her gedacht, die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte sollen sogar in den integrierten Notfallzentren, die an den Kliniken eingerichtet werden sollen, Dienste machen. Ein absurder Gedanke, das kann nicht funktionieren. Und darauf werden wir die Öffentlichkeit mit geeigneten Maßnahmen informieren.


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